“… den Menschen seines Wohlgefallens”
Vor meinem Fenster schneite es schon kurz vor dem ersten Advent. Das sah sehr schön aus und so langsam kamen winterliche und vorweihnachtliche Gefühle, während ich versonnen zuschaute, wie die Schneeschicht immer dicker wurde …
Und bald tauchte auch schon ein erster Bibelvers aus der Weihnachtsgeschichte bei mir auf:
„Ehre sei Gott in der Höhe und Frieden auf Erden den Menschen seines Wohlgefallens.“
Seitdem klingt er in mir nach und damit verbunden weitere Lieder, die diese Worte aufgenommen haben. Weihnachtsliederohrwurmkonzert.
Irgendwann kam dazu der Gedanke, dass dieses Lied einmal von den Engeln gesungen wurde und die Hirten das auf dem Feld wahrnehmen konnten.
Was die Hirten wohl gedacht haben?
Sind sie ganz erschrocken vor der nächtlichen, beeindruckenden Erscheinung der Engelchöre? Da bin ich mir sehr sicher. Das war bestimmt unfassbar schön, wie sich die ärmliche Schafweide plötzlich in einen überirdischen Konzertsaal verwandelte. Vielleicht sind sie auf ihre Knie gesunken und haben ganz andächtig und überwältigt der himmlischen Musik gelauscht.
Beim Weitersinnen bin ich über die Formulierung „Frieden auf Erden den Menschen seines Wohlgefallens“ gestolpert. Wie das wohl bei den Hirten ankam? Haben sie sich als Personen gefühlt, an denen Gott Wohlgefallen hat?
Wohlgefallen bei Gott?
Das ist ein Thema, dass mir in den Beratungs- und Seelsorgegesprächen oft begegnet: Menschen brauchen dringend Frieden. Aber sie wissen nicht, ob dieser Frieden für sie gedacht ist, weil sie doch sicher nicht dem Wohlgefallen Gottes entsprechen … mit ihren Konflikten und Symptomen und Sünden …
In der Kirchengeschichte wurde es oft so weitergegeben, dass der Friede Gottes zu den Menschen kommt, die sich so verhalten, wie Gott sich das wünscht. Ein trauriger Gedanke in dieser Weihnachtszeit.
Denn so war das bei den Hirten wahrscheinlich nicht. Sie waren sicher harte Gesellen, mussten sich ganz für die Tiere einsetzen und erhielten dafür nur geringes Gehalt. Es war unüblich, dass sie die Besitzer der Herde waren. Meist wurden als Hirten einfache Männer angestellt, die ihr Leben ununterbrochen in der Nähe der Tiere zubringen mussten. Ich stelle mir vor, dass diese Männer nicht unbedingt dem Bild des guten, gottesfürchtigen Menschen entsprachen. Und ich kann mir denken, dass es ihnen unter den gesellschaftlichen und politischen Bedingungen der damaligen Zeit in ihrem Lebensumfeld deutlich an Frieden fehlte. Sie führten ein entbehrungsreiches Leben, voller Gefahren und sozialer Ungerechtigkeiten.
Und dann lässt Gott diese Menschen einen Blick in den himmlischen Thronsaal werfen, in dem zu allen Zeiten die Engel das Lob Gottes singen.
Ist es wirklich so, dass Gott dieses Wunder tut und dann die Hirten wieder hinausschiebt? So nach dem Motto: „Ihr gehört hier nicht hin. Wir brauchten euch nur als Dekoration für die zukünftigen Weihnachtskrippen.“ Das kann ich mir nicht vorstellen.
Licht für die, denen es an Licht und Frieden mangelt
Die ganze Weihnachtsgeschichte hat – so wird es uns in Johannes 1 beschrieben – den Charakter, dass das Licht und der Friede Gottes zu den Menschen Kontakt aufnehmen, denen es an Licht und Frieden mangelt.
Wir wissen natürlich nicht, was das in den Herzen der Hirten ausgelöst hat. Wir hören nichts von Bekehrung oder Umkehr oder Neuanfang. Aber es bewegt mich sehr, dass der Allerhöchste am Abend seiner Menschwerdung Frieden und Licht fließen lässt zu denen, die in Dunkelheit und Unfrieden leben.
Ein neuer Ton im Weihnachtskonzert
Jetzt ist zu meinem inneren Weihnachtskonzert ein neuer Ton gekommen. In mir klingt die Herzensweite Gottes, die uns Menschen sucht, auch wenn wir noch im Dunkeln sind. In mir klingt die Sehnsucht Gottes, die uns Menschen Frieden schenken möchte, auch wenn wir es immer wieder nicht schaffen, diesen Frieden auch auf Erden miteinander zu pflegen.
In mir klingt das Liebesangebot Gottes, der so überraschend zuerst liebt.
Ich wünsche Ihnen und mir, liebe Leserin, lieber Leser, eine Weihnachtszeit, in der wir diese Töne mitten in unserem Alltag vernehmen und entdecken, wie der allmächtige, ewige Gott immer noch und immer wieder Frieden bringen möchte in diese Welt.
Katrin Kroll