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Mut für meine lebenslange Entdeckungsreise

  • „So bin ich eben… oder auch nicht?“

Dieses Selbstbild-Dilemma beschäftigt die einen mehr, die anderen weniger häufig. An bestimmten Punkten des Lebens taucht es für (fast) jeden einmal auf. Hier meine persönliche Nachlese zu unserem gleichnamigen Internetvortrag am 10. November 2021 mit Monika Heß.

Mein Selbstbild

„So bin ich eben!“ – da kenne ich trotzige Momente, wo ich keine Lust habe, mich lästigen Anforderungen oder Veränderungsprozessen zu stellen, aber auch frohe Momente, wo ich mit mir ganz im Reinen bin und mich freue, dass meine Vorstellung, wie ich bin, und das, was gerade alles läuft und gelingt, so gut zusammenpassen.

„…oder auch nicht?“ – Besonders in Umbruchszeiten oder neuen, ungewohnten Situationen nagt dieser Selbstzweifel als unangenehme Verunsicherung an mir, aber eigentlich muss und will ich auch in den „sicheren Zeiten“ offen sein dafür, dass es noch ganz viel an und in mir zu entdecken gibt!

Der Wunsch nach einem gesunden Lebensraum

Wenn ich genau überlege, dann suche ich den gesunden Lebensraum zwischen einer entspannten Gewissheit, dass ich bin, wie ich bin, und so sein darf, und einer neugierigen Offenheit, mich zu entwickeln. Ohne dass ich darauf beharre: „So bin ich, das steht ein für alle Mal fest.“ Und ohne den zermürbenden Zweifel „Wer bin ich? Wer will oder soll ich sein?“
Was nehme ich da aus dem Vortrag mit, was hilft mir, diesen gesunden Lebensraum zu finden?

Die lebenslange Entdeckungsreise – in Beziehungen

Zuerst: Mich selber kennenzulernen ist eine lebenslange Entdeckungsreise – und das ist gut so!

Von Anfang an ist diese Reise von vielen Erfahrungen geprägt. Mein Wissen um mich selbst hat Wurzeln in den Beziehungen zu den Menschen um mich herum: Wie gingen und gehen sie mit mir um? Was bin ich ihnen wert? Wieviel zählt mein Leben?

An den Reaktionen der anderen auf mich konnte und kann ich ablesen: Was ist okay, wie kann man mit mir umgehen, mich behandeln. Wieviel zählt meine Stimme, meine Meinung? Was darf ich äußern? Wieviel Raum darf ich einnehmen? Wieviel Arbeit machen? Bei welchem Verhalten freuen sich die anderen Menschen? Bei welchem Verhalten ärgern sie sich? Ist es okay, starke Gefühle zu haben? Darf ich laut sein?

Auf die ersten Anfangswurzeln zurückzuschauen, kann mir helfen, mein heutiges Selbstbild klarer zu sehen und zu verstehen. Aber auch, was mir in aktuellen Beziehungen zugesprochen wird, ist wichtig. Denn mein Selbstbild ist nicht das Ergebnis einer bewussten Analyse meiner selbst, sondern entwickelt sich im Kontext meiner Beziehungen.

Die zentrale Beziehung zu Gott

Und da gibt es natürlich die eine zentrale Beziehung: „Mein Selbst ist beheimatet in der Beziehung zu Gott“, so hat Monika Heß es formuliert.
Ich bin gewollt und angenommen von Gott. Er erkennt mich, wie ich bin und sein werde, und nimmt mich darin an. Und fordert mich gleichzeitig heraus, hervorzukommen mit dem, was in mir ist.
Und deshalb darf ich ihn vertrauensvoll bitten: “Durchforsche mich, Gott, sieh mir ins Herz, prüfe meine Wünsche und Gedanken!” (Psalm 139,23, Gute Nachricht Bibel)

“Durchforsche mich…”: Ich höre zu, wie Gott mit mir redet. Ich nehme wahr, wie Gott mit mir umgeht. Wenn er mich aufbaut, dann kann ich auch aufrecht stehen. Wenn er mir vergibt, dann kann ich auch mir selbst vergeben. Wenn er gern mit mir lebt und Zeit verbringt, dann bin ich liebenswürdig. Wenn er sich hingibt für mich, dann bin ich es wert.

Ein umfassendes Selbstbild ist nicht einseitig, sondern schließt mit ein, wer und wie ich auch bin.

  • Es öffnet Horizonte für meine Weiterentwicklung.
  • Es lässt Erkenntnisse, Einsichten und Überführungen zu.

Wo ich in der Erkenntnis Gottes wachse, weicht der Neid, andere könnten es besser getroffen haben, zurück. Wie der Vater im Gleichnis sagt Gott zu mir: „Kind, du bist allezeit bei mir, und alles, was mein ist, ist dein.“ (Lk 15,32)

In Freundschaft mit mir selbst leben

Aus der Beheimatung bei Gott heraus kann ich mich täglich auf den Weg ins Leben machen, in Frieden und Freundschaft mit mir selbst, denn Gott hat Freundschaft mit mir geschlossen.

Ein paar Gedanken, wie sich die Freundschaft mit mir selbst zeigt, habe ich mir aus dem Vortrag notiert:

  • gern mit mir selbst Zeit verbringen
  • mir selbst Gutes gönnen können, mir Gutes verordnen können
  • mir etwas verzeihen können
  • Mitgefühl mit mir selbst haben
  • mir zuhören, Warnsignale ernstnehmen
  • Humor haben, ich kann über mich selbst lachen

In Freundschaft mit meinem Nächsten leben

Und ganz wichtig: Die Freundschaft mit mir selbst und die Liebe zu anderen Menschen gehören natürlich zusammen. Natürlich soll und will ich den anderen ebenso lieben: Gern mit ihm Zeit verbringen, ihm Gutes gönnen, verzeihen…
Es geht um einen gesunden Rhythmus und die Fähigkeit, auch ganz von mir wegschauen, mich vergessen zu können. Und darum, auch dann nicht auszuweichen, wenn ich durch den anderen Menschen an meine Grenzen stoße, die Grenzen meiner Geduld, meiner Liebesfähigkeit … und bemerke, dass ich doch nicht so ideal bin, wie ich sein möchte. Das ist ja letztlich keine Bedrohung, vielmehr eine Chance, mich und mein Selbstbild im Licht Gottes zurechtzurücken.

So schließe ich mich Monikas Fazit an…

…und will meine Entdeckungsreise mutig weitergehen.

Ich will ein Ja finden und

  • in Freundschaft mit mir selbst leben,
  • meinen Selbstwert in Gott verankern,
  • Ihm und anderen Antwort geben und mich verantworten,
  • mir meiner Würde bewusst sein, die unantastbar ist.

Ich riskiere Weite und Offenheit:

  • Ich lasse andere Sichtweisen zu.
  • Ich bin sowohl als auch (also nicht nur super oder nur beschränkt, sondern vielseitig begabt, liebenswert, ergänzungsbedürftig… und auf Überraschungen gefasst).
  • Ich kann mich verändern.
  • Ich kann entscheiden.
  • Ich kann wachsen und lernen.

Agnes May (November 2021)

(Fotonachweis: IGNIS Akademie; Mann mit Kind: Freundschaft Fotolia_4319720)